Genderstrategie

Genderstrategie der Jungen Grünen

Beschlossen am 5. Bundeskongress am 5. Jänner 2014, Deutschlandsberg

Feminismus und gelebter Feminismus sind für die Jungen Grünen Grundsätze und Grundsatzpositionen, die sich in der Organisationskultur und der gesamten Arbeit widerspiegeln müssen. Für eine präzisere Definition und Eingrenzung muss hier zwischen zwei Bereichen unterschieden werden, das ist auf der einen Seite die Frage nach Beteiligung und Repräsentation von Frauen innerhalb der Jungen Grünen und auf der anderen Seite die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Feminismus und Gender, die Theoriearbeit, die dahinter steckt, und wie wir den Grundsatz Feminismus verstehen.

Da beide Bereiche manchmal wenig miteinander zu tun haben, müssen sie auch mit unterschiedlichen Perspektiven und getrennt voneinander beleuchtet werden.

Frauen sind in den meisten Jugendorganisationen unterrepräsentiert, genauso wie Menschen aus bildungsfernen Schichten, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderungen. Das hat tiefgehende gesellschaftliche Gründe und da jede Organisation nicht losgelöst von der Gesellschaft betrachtet werden kann, werden auch hier sexistische, androzentrische und diskriminierende Mechanismen reproduziert.

Die gesellschaftlichen Voraussetzungen und die Ausgangslage werden sich auch nicht durch die beste Strategie aufheben lassen, trotzdem müssen wir als Junge Grüne dazu beitragen, Wege zu finden, die eine höhere Partizipation und Repräsentation von Frauen innerhalb unserer Organisation gewährleisten.

Wir haben in den letzten Jahren viele Wege und Instrumente ausprobiert, ein paar davon erfolgreich, andere weniger. Diese nüchtern zu evaluieren und daraus eine Strategie für die nächsten Jahre zu entwickeln ist besonders wichtig. Die am häufigsten diskutierten Elemente im Bereich Frauenförderung sind nach wie vor die Quote und das Sprechverhalten.

Quotenregelung

Die Quote ist ein wichtiges Instrument, sofern sie nicht als dauerhafte Lösung sondern als Übergangslösung verstanden wird, die Dinge aufbrechen kann und für einen Prozess sorgt.

Die Quote führt aber leider auch dazu, dass viele Organisationen es dabei belassen, nicht mehr allzu viel über Genderverhältnisse geredet werden muss und noch weniger getan wird.

So nützlich und sinnvoll die Quote auch ist, gibt es doch ein paar Probleme, die wir nicht wegdiskutieren können. Die Quote führt gerade für viele Junge Grüne Frauen dazu, dass sie innerhalb der Jungen Grünen, aber auch von anderen Grünen Teilorganisationen, bedrängt werden, Funktionen zu übernehmen, was manchmal mit Überforderung, Konflikten und zu wenig Vorbereitung einhergeht. Prinzipiell ist anzumerken, dass die meisten Grünen

Organisationen, Probleme haben, genügend Frauen für Funktionen zu finden, was in weiterer Folge auch wieder als Problem zu uns zurückkommt. Die Abwerbung von Frauen durch andere Organisationen stellt für uns ein großes Problem dar, daher muss auch die Personalentwicklung der Grünen Partei als Gesamtes betrachtet werden.

Ja zu Zahlen und Fakten

Oft gibt es hochgradig ideologisierte Diskussionen, auf aussagekräftige Zahlen wird nur zu gern vergessen. Daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, ganz nüchtern mit Zahlen zu arbeiten und diese regelmäßig zu erheben und zu evaluieren. Wichtige Zahlen sind z.B. die Mitgliederstruktur, die Adressbestände, die Teilnehmer*innenzahlen an verschiedenen Veranstaltungen und Formaten, die Dauer der Mitgliedschaft in verschiedenen Gremien, die Anzahl der Interessent*innen die sich melden und wie viele davon in weiterer Folge eingebunden werden können, sowie die Anwesenheit von Frauen und Männer bei Sitzungen.

Kennzahlen sind ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Gender-Strategie, daher müssen sie auch regelmäßig erhoben und ausgewertet werden.

Verhältnisse aufbrechen!

Dass die Quote alleine ausreicht, ist ein Irrglaube und Frauenförderung mit der Quote gleichzusetzten sowieso. Es muss innerhalb der gesamten Organisation ein Bewusstsein und eine Sensibilisierung für Geschlechterverhältnisse geben, die auf verschiedensten Ebenen mit unterschiedlichen Werkzeugen bearbeitet werden.

Gerade in den Führungs- und Entscheidungsgremien ist es wichtig, dass Frauen in verschiedene Prozesse eingebunden sind und Teil der formellen und informellen Entscheidungs- und Meinungsbildungsnetzwerke sind. Wir können nicht wegdiskutieren, dass wir mit tief verankerten Rollenbildern aufwachsen, dass wir aufgrund unseres Geschlechts unterschiedliche Erfahrungen machen, die nicht immer greifbar sind. Wir als Junge Grüne haben deswegen die Förderung von Frauen abseits gesellschaftlicher Mechanismen zur Aufgabe, dafür braucht es ein breites Bewusstsein innerhalb der Organisation. Auch dass Förderung mehr als Positionen und Quoten bedeuten, sondern dass Menschen bestmöglich eingebunden werden und im Rahmen ihrer Talente und Möglichkeiten gefördert werden.

Geschlechterverhältnisse in Gruppen

Neben der Quote spielt ein zweites Thema oft eine sehr präsente Rolle, nämliche Sprache insbesondere geschlechtergerechte/geschlechterneutrale Sprache, das Redeverhalten und die Redezeit. Das Thema ist neben der Quote sehr greifbar und erlebbar und sollte im Bewusstsein der Organisation verankert und auf allen Ebenen der Jungen Grünen gelebt werden. Die Bedeutung der Sprache ist enorm, sie beschreibt gesellschaftliche Verhältnisse und Rollenbilder. Diese Bilder aufzubrechen und Frauen in der Öffentlichkeit, in Diskussion und bei Meinungsbildungen sichtbarer zu machen ist eine wesentliche Aufgabe der Jungen Grünen. Jede Ebene muss über verschiedenste Instrumente und Mechanismen von Diskussionsverhalten Bescheid wissen, sei es in Bezirksgruppentreffen oder Vorstandssitzungen.

Männer reden mehr, oft das gleiche hintereinander, reden lauter und nehmen sich mehr Raum in Diskussionen. Es ist wichtig, dass Frauen und Männer begreifen, wie sich ihre Sozialisation auch in der Gruppe und in politischen Diskussionen widerspiegeln. Es gilt Wege zu finden, die Raum für alle Menschen schaffen, sodass auch ruhigere Personen sich wohl fühlen und Platz für Redebeiträge bekommen.

Diese Forderung setzt an beiden Seiten an. Jeder und jede sollte für sich selbst reflektieren, inwiefern sie Platz beanspruchen, ob sie anderen Menschen Platz wegnehmen oder wie sie gegebenenfalls besser gehört werden.

Da besonders Frauen sich bei Diskussionsrunden weniger Platz nehmen und weniger reden, müssen innerhalb der Organisation Räume und Angebote geschaffen werden, die Frauen gezielt bei Durchsetzungsstrategien, Auftritten und Rhetoriktraining unterstützen.

Wie jede Organisation neigen auch die Jungen Grünen dazu, sehr viele soziale Codes und eigene Sprachmuster zu entwickeln, von der sich neue Interessierte schnell ausgegrenzt und eingeschüchtert fühlen. Wir müssen versuchen, Wege zu finden, diese Pluralität an Meinungen zuzulassen, und gleichzeitig intern Dinge kompakt und gut erklären zu können, ohne gleich in dogmatische Regeln abzudriften.

Themensetzung, Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit

Drei wesentliche Faktoren haben in den letzten Jahren für eine Veränderung der Genderverhältnisse zu Gunsten von mehr Frauen bei den Interessent*innen oder Partizipation bei den Jungen Grünen beigetragen.

Ein erster Punkt war die Öffentlichkeitsarbeit mit einem Design der Jungen Grünen, das mehr Frauen anspricht, als die sehr kühlen und aggressiven Designs und Sujets die vorher eingesetzt wurden. Auch die ökologische Nachhaltigkeit, die sich in der Öffentlichkeitsarbeit widerspiegelt, dürfte positive Veränderungen gebracht haben. Bei dem Design und der Präsentation nach außen sind oft viele Kleinigkeiten wichtig, wie etwa die Farbwahl oder die Auswahl der Titel für Veranstaltungen.

Die Themen, auf die in die letzten zwei Jahren gesetzt wurden, haben teilweise auch dazu beigetragen, dass die Arbeit auch vermehrt und teilweise mehrheitlich von jungen Frauen als interessant bzw. ansprechend wahrgenommen wurde.

Ein Problem stellt noch immer der Gendergap bei Angeboten für Theorie-Seminare da, hier muss über die Themenwahl reflektiert werden, bzw. müssen vielleicht auch Themen miteinander verbunden werden, um auch Frauen anzusprechen. Ein weiter Punkt, der uns als Junge Grüne passiv und aktiv betrifft, ist, dass bei der Programmplanung von Veranstaltungen Männer manchmal vor Frauen eingeladen werden, oder Themen festgesetzt werden, ohne die Teilnehmer*innenzusammensetzung zu reflektieren.

Planungsprozesse müssen dementsprechend geändert werden, damit nicht erst kurz vor der Veranstaltung erkannt wird, dass wesentlich mehr Männer als Frauen angemeldet sind.

Des Weiteren ist ein wichtiger Punkt die Verbesserung der Kommunikation in der Organisation und deren Standardisierung, da Männer meistens durch informelle Kanäle  besser informiert werden, das betrifft die bezirksgruppeninterne Organisation und aber auch die Bundesorganisation (Adressverwaltung, Infostellen, Planungsfristen, Abläufe, Ansprechpersonen).

Überlegungen zur Frauenförderung in der Organisation
  • Frauenförderung als Querschnittsmaterie, die alle Bereiche durchleuchten muss.
  • Frauenförderung geht uns alle an und wird deshalb auf allen Ebenen von Männern und Frauen gleichermaßen umgesetzt.
  • Untergliederung in drei Ebenen: 1. Ansprechen von neuen Interessentinnen 2. Einbinden und Halten von Aktivistinnen 3. Frauen in Vorstands- /Verantwortungspositionen – Förderung auf allen drei Ebenen und Analyse, welche Strategien welchen Bereich betreffen.
  • Bereitstellen verschiedener Instrumente für Bezirksgruppen, Landesvorstände und Bundesvorstand.
Konkrete Maßnahmen und Instrumente in der Organisation
  • Beauftragung einer Person im Bundesvorstand zum Thema „Frauenförderung innerhalb der Jungen Grünen“. Ernennung eines Teams (zwei Personen aus dem BV, zwei Externe). Die Aufgabe des Teams ist, dass sich Frauenförderung und die Genderstrategie in allen Bereichen wiederspiegeln und dem Bundesvorstand beratend zur Seite stehen.
  • Gender-Monitoring und Steuerung: Anhand von Kennzahlen und Lageanalysen werden laufend Veranstaltungen, Themensetzungen, Kampagnen, Aktivitäten und die interne und externe Kommunikation evaluiert und gegebenenfalls modifiziert. Sitzungen mindestens 3mal im Jahr.
  • Erstellung des Jahresbudgets nach Gender-Budgeting-Kriterien.
  • Externe Beratung für Genderfragen in der Kommunikation nach außen (Zielgruppen- Marketing)
  • Angebote für Ortsgruppen bereitstellen: Informationen, Leitfäden, Info-Veranstaltung z.B. zu Sitzungsgestaltung, Diskussionsverhalten, Projektplanung
  • Exklusive Angebote für Frauen*/Räume für Frauen* schaffen
    • Frauenförderungsseminare auf der Soft Skill Ebene (zB. Rhetorik, Präsentation)
    • Exklusive Veranstaltungen für Frauen (z.B. Kamingespräche mit Politikerinnen, interessante Referentinnen)
    • Veranstaltungen zur Vernetzung von Frauen innerhalb der Jungen Grünen
    • Platz für Frauentreffen bei Gremiensitzungen (z.B. Frauentreffen beim Bundeskongress)
    • Bei Angeboten nur für Frauen muss dafür gesorgt werden, dass es zu keinen Terminüberschneidungen und Doppelbelastungen kommt.
  • Mentoring-Programm für Frauen und Männer im Bereich Projektmanagement und Vorstandstätigkeit
Maßnahmen für feministische Politik:
  • Feminismus ist mehr als Frauenförderung und betrifft alle Aktivist*innen und Themenbereiche
  • Feminismus muss sich in allen Themenbereichen wiederspiegeln und mitgedacht werden
  • Vorurteile gegenüber Feminismus müssen abgebaut werden. Auch in unserer Kommunikation nach außen sollte nicht immer die Benachteiligung von Frauen betont werden, sondern die befreiende Kraft, positiv selbstbestimmte und selbstbewusste Bilder kommuniziert werden.
  • Für inhaltliche Auseinandersetzung mit Feminismus/Feminismen muss innerhalb der Jungen Grünen genügend Platz sein. Auch Kritik kann sachlich argumentiert werden, ohne belehrend zu wirken.
  • Feminismus als theoretische Auseinandersetzung muss neben unseren anderen Grundsätzen und Themenschwerpunkten genauso behandelt werden. Bei der
  • Erstellung des Jahresplanes bzw. bei allen Bildungsangeboten der Jungen Grünen ist darauf zu achten.