Von Liegestühlen und Kürbiskuchen
Die Geschichte der Jungen Grünen 2010 – 2018
2010
Am 10. April 2010 gründen sich die Jungen Grünen/ Junge Alternative mit einem Bundesjugendkongress in Wien. Grüne und alternative Jugendgruppen aus 6 Bundesländern haben sich zusammengetan, um eine bessere Vernetzung bundesweit und international zu erreichen”. So beginnt die erste Presseaussendung der Jungen Grünen. Ob sich da jemand verzählt hat oder es mit der repräsentativen Breite besonders gut meinte, ist nicht mehr zu eruieren. Am ersten Bundeskongress nahmen insgesamt 40 Delegierte aus Niederösterreich, der Steiermark, Tirol, Vorarlberg sowie Gäste aus Wien teil. In der Gründungserklärung heißt es: „Wir als Junge Grüne – Junge Alternative sehen uns im Anbetracht der massiven Verunsicherung von jungen Menschen, sowie dem massiven Rechtsruck seit 1986 gezwungen, uns gegen das eingefahrene politische System in Österreich zu organisieren”. Dabei stand, nachträglich betrachtet beinahe erstaunlicherweise, die Kritik am österreichischen Parteiensystem im Mittelpunkt, die wir später unterfüttern und intensivieren würden. Im Jahresprogramm spielte dies jedoch kaum eine Rolle. Wir organisierten unter anderem: Ein Antifascist Weekend in Wien, um Grundlagen von antifaschistischer Arbeit und grundlegende Begriffe der Materie zu diskutieren; einen Workshop zu Esoterik und Rechtsextremismus in Kärnten, den wir mit einer Russendisko zum 8. Mai ausklingen ließen, einen Basislehrgang zum Organisationsaufbau, dessen Module sich um Teambuilding, Projektmanagement, Medienarbeit, Rhetorik und Moderation drehten, ein Seminar zu Klimawandel und seinen sozialen Implikationen, das zweite Sommercamp mit dem Themenschwerpunkt Bildung und im Herbst ein Seminar zu Feminismus unter dem Titel „I ♡ my vagina”. Dieses Jahresprogramm sollte im Großen und Ganzen auch umgesetzt werden. Rückblickend ist es spannend, dass bereits 2010 geplant war, zwei Ausgaben eines organisationseigenen Magazins herauszubringen. Dieses Projekt sollten wir stur über die Jahre mittragen, bis es dann im Herbst 2016 endlich realisiert wurde.
Dieses Jahr Null der Organisation, in dem wir keine anerkannte Organisation der Grünen, sondern ein Dachverband für dissidente Jugendorganisationen jenseits der Plattform Grünalternativer Jugendorganisationen (PGAJ) waren, war auch personell turbulent. Beim Gründungskongress wurde Anna Setara Lorenz als Sprecherin gewählt, im Verlauf des ersten Jahres wurde sie durch Maria Kaltenbrunner ersetzt und auf Lukas Beiglböck folgte Tobias Schweiger als Koordinator. Wir erlebten also mehrere Wechsel im Vorstand und es brauchte seine Zeit, bis wir Routinen in Sitzungsgestaltung und Beschlussfassung entwickelten. Aber in Summe ging unser Vorhaben auf. Wir wollten uns nicht weiter lähmen lassen von den zähen Auseinandersetzungen um die PGAJ, sondern aktiv die bundesweite und internationale Arbeit gestalten . Neben der Aufnahme als Candidate Member bei der Federation of Young European Greens (FYEG) waren wir auch führend beteiligt den 2. Kongress der Global Young Greens (GYG) in Berlin zu organisieren. Ohne zentrale Finanzierung oder Budgetsicherheit, ohne bezahlte Stellen und ohne breite Netzwerke, die die Organisation hätten tragen können, war das eine enorme Leistung. Doch damit ging die Geschichte der Jungen Grünen eigentlich erst los.
2011
Gegen massive Widerstände in der Parteispitze gelang es den Jungen Grünen im Jänner 2011 eine Mehrheit im erweiterten Parteivorstand zu finden, um als bundesweite Jugendorganisation anerkannt zu werden. Soweit wir die Positionen einschätzen konnten, war gerade der enge Zirkel um Eva Glawischnig und Stefan Wallner einer neuen Jugendorgansiation gegenüber nicht positiv eingestellt. Weder sahen sie eine Notwendigkeit darin, sich mit der starken Landesorganisation Wien anzulegen, die die PGAJ protegierte, noch wünschte man sich wirklich eine starke Bundesjugendorganisation, die in der Logik der Partei keinen wirklichen Platz hatte. Aber die Kräfte, die aus verschiedenen Gründen auf eine Ablösung der PGAJ zielten, waren zu groß geworden und die Parteispitze akzeptierte den Wechsel. Die Gegenstimmen bei unserer Anerkennung als offizielle Jugendorganisation fielen geringer aus als erwartet – zahlenmäßig müssen wohl auch Delegierte aus Ländern mit einer GAJ gegen ihre bisherige Jugendorganisation gestimmt haben.
Um eine schlagkräftige Organisation zu schaffen, entschieden wir uns die unterschiedlichen Namen von Grünalternative Jugend Steiermark über Grüne Jugend Niederösterreich bis „FROG – Junge Grüne Plattform Vorarlberg” hinter uns zu lassen und von nun an mit einem gemeinsamen Außenauftritt als „Junge Grüne” zu agieren. Obwohl eine Grafikagentur uns einen Kaktus als Logo sehr nahe legte, entschieden wir uns für das minimalistische Logo, das uns mit leichten Veränderungen immer begleitete. Wie so vieles musste auch der Zugang zum Merchandise erst geübt werden – obwohl sich viele Aktivist*innen wohl noch heute an der klobigen Teetassen erfreuen, die in einer ersten Welle produziert wurden. Wir waren gekommen um zu bleiben – und das wollten wir in den Regalen der Grünen Büros deutlich machen.
Mit der Anerkennung und dem ersten eigenen Merchandise einher ging auch der eigene Büroaufbau. Auf einmal waren zwar enorme Finanzmittel zur Verfügung, damit allerdings auch enorme administrative Anforderungen. Die Losung „Organisationswachstum” wurde ausgegeben und musste lokal organisiert werden – doch die Erfahrung vor Ort war gering und in vielen Landesorganisationen musste ein Neuaufbau nach neuen Ansprüchen geschehen. Es stellten sich Herausforderungen auf allen Ebenen des Organisationsaufbaus und wir navigierten zwischen großen Ideen und Chaos. Im „Depot” in Wien fand der zweite Bundeskongress der Jungen Grünen statt. Das kommende Jahr würde vom beschlossenen Jahresschwerpunkt Klimapolitik dominiert werden. Im Bundesvorstand folgte Daniel Haim als Koordinator, Maria Kaltenbrunner und Tobias Schweiger wurden als Sprecher*innen gewählt. Außerdem prägten Lukas Wurzinger, Michaela Prassl, Denise Moser und Barbara Figl den Vorstand. Dieser hatte wenig Erfahrung und viel vor – die Öffentlichkeitsarbeit wollte in Gang gesetzt werden, und Kampagnenerfahrungen hatten wir auch nur begrenzt. Der erste Anlauf war die Sommertour 2011, die anlässlich des verheerenden Unglücks in Fukushima unter dem Titel „Endlich abschalten” die Notwendigkeit einer sozial gerechten Energiewende thematisierte. Der erste Versuch eine klare Bildbotschaft zu schaffen, wurde mit neongelben Atommülltonnen unternommen. Das Erfolgsprojekt Sommercamp wurde fortgeführt und fand unter demselben Thema statt wie die Sommertour – eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Klimapolitik war das Ziel. Rund 80 Teilnehmer*innen waren Teil des größte Events der Jungen Grünen des Jahres in einem Pfadfinder*innenheim nahe dem Attersee – es sollte allen Teilnehmenden als “das Camp mit Feldbetten im großen Schlafsaal” in Erinnerung bleiben. Neben Diskussionen über einen linken Zugang zu Klimapolitik und einen kleinen Abstecher zur Gemeinwohlökonomie, gab es am Sommercamp auch eines: eine massive Wespenplage. Die gekauften Wespenfalle jeglicher erdenklicher Art verschwanden bevor sie aufgebaut werden konnten. Verdächtigt wurde die vegane Kochcrew, die zuvor Solidarität mit den Wespen erklärt hatte, aber aufgedeckt werden konnte der Fall nie.
Im Herbst fand eine Diskussionsveranstaltung mit Michael Heinrich und Michel Reimon mit dem klangvollen Titel „Wie viel Marx brauchen die Grünen” in Graz statt. Ein Gast war so nett die Diskussion vorwegzunehmen und auf das Plakat beim Eingang „viel” zu schreiben. Auf den Themenabend folgte ein Seminar zur Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie mit Michael Heinrich. Das Seminar war teurer als budgetiert – aber selbstgemachte Kürbissuppe, Kürbisragout und Kürbiskuchen in Honig in der Bio-Pension Landhaus Feuerlöscher in Prenning waren köstlich.
2012
Der Bundeskongress im März fand im niederösterreichischen St. Valentin statt. Der Gasthof hieß „Grüner Baum” und der Besitzer Stefan Wallner Verwandtschaft zum gleichnamigen Bundesgeschäftsführer der Grünen bestand, soweit wir wüssten, keine. Im wohl größten Bundesvorstand unserer Geschichte befanden sich ab dem Zeitpunkt auch Maria Reinberg, Lena Coufal und Sebastian Vetter.
Auf der Suche nach Themen, die gleichzeitig unsere Zielgruppe ansprechen und Räume für linke Ideen öffnen würden, entschieden wir uns für eine Sommertour zum Thema Öffentlicher Raum unter dem Motto „Nimm Platz – die Stadt gehört uns allen!”. Das Sommercamp fand in diesem Jahr unter dem Motto „Ausgegrenzt” wie gewohnt mit der Grünen Jugend Bayern und außerdem mit der Grünen Jugend Baden-Württemberg statt. Dieses Camp zeigte uns die Grenzen unserer personellen Ressourcen auf – es war so groß geworden, dass es für das Organisationsteam kaum zu stemmen war. Die Wachstumsstrategie hatte funktioniert, aber gleichzeitig bedeutete das, dass wir unsere Großevents verändern mussten. Daniel Haim traf eine am Sommercamp außerdem eine wichtige Richtungsentscheidung für die Organisation und kaufte dem Betreiber der Location fünf grüne Liegestühle ab. Der erste Stein für unser späteres Markenzeichen war gelegt.
Im selben Sommer wurde Tobias Schweiger als Bundessprecher von Cengiz Kulac abgelöst.
Anlässlich der vorgezogenen Gemeinderatswahl in Graz führten die Jungen Grünen Steiermark im Herbst 2012 erstmals die Kampagne „Unsere Stadt – Dein Wohnzimmer” durch. Besagte Kampagne wurde über die Jahre weiterentwickelt und immer wieder durchgeführt werden und ein Identifikationspunkt für viele Aktivist*innen werden.
2013
Erstmals zeigte sich die Organisation gefestigt und die Professionalisierung schritt voran. Das fortschreitende Wachstum zeigte sich in zahlreichen Bezirksgruppengründungen, unter anderem in Tirol, Wien und Oberösterreich.
Beim Bundeskongress 2013, der nun erstmals Anfang Jänner im Rahmen der Neujahrskonferenz stattfand, wurden Diana Witzani und Cengiz Kulac als Bundessprecher*innen gewählt, Daniel Haim blieb Koordinator. Als weiteres Vorstandsmitglied wurde unter anderem Simon Hofbauer, damaliger ÖH Vorsitzender der Uni Salzburg, gewählt. Er blieb allerdings nicht lange Vorstandsmitglied, sondern kandidierte im Mai erfolgreich bei der Landtagswahl, anlässlich derer die Jungen Grünen erstmals ihre volle Mobilisierungskraft zeigen konnten und eine erfolgreiche Kampagne zum Thema Gratis Öffis durchführten.
Für viel Aufsehen sorgte im Frühjahr auch unsere Kritik an einem Konzert der Band Frei.Wild in Graz. Fans der Band starteten einen Shitstorm gegen die Jungen Grünen und verschafften unseren Postings unabsichtlich damit eine riesige Reichweite.
Besonders viel Aufmerksamkeit bekam im Rahmen der Nationalratswahl im Herbst unsere Kampagne „I love my Vagina”, die es sogar in deutsche Leitmedien schaffte.
2014
Beim Bundeskongress Anfang Jänner in Deutschlandsberg schied Daniel Haim nach drei Jahren als Koordinator aus dem Bundesvorstand aus. Mit Sebastian Vetter und der neu gewählten Finanzreferentin Merve Beypinar blieb der Vorarlberg-Anteil im Vorstand aber wie gewohnt hoch. Die Funktion des Koordinators wurde in Politische Geschäftsführung umbenannt und von nun an von Marcel Andreu ausgeführt.
Nur ein paar Wochen später kam es zu dem bis dato größten Medienskandal und Streit mit der Partei. Die Jungen Grünen hatten vor Jahren die Domain „nowkr.at” einem antifaschistischen Bündnis zur Verfügung gestellt. 2014 wurde auf dieser Domain mit dem Slogan „Unseren Hass könnt ihr haben” zu den Akademikerball-Protesten mobilisiert. Nachdem es bei den Protesten zu Ausschreitungen kam, wurde die Verbindungen zu den Jungen Grünen von der FPÖ mit Unterstützung der Kronen-Zeitung öffentlich thematisiert und die Grüne Partei war um ihren Ruf besorgt. Man blieb trotz Druck der Partei und Medien standhaft und distanzierte sich nicht von den wichtigen antifaschistischen Protesten, obwohl der Skandal über den nicht selbst produzierten Slogan kräfteraubend war.
Für die Organisation war 2014 ein spannendes Jahr, denn Landesorganisationen in Wien und Oberösterreich wurden gegründet. Dort hatten in den ersten Jahren nach der Gründung der Jungen Grünen noch Gruppen der Grünalternativen Jugend bestanden, die allerdings stetig geschrumpft waren. Die Kampagne zur Neugestaltung der Mariahilferstraße in Wien war die erste große Aktivität der neuen Landesorganisation Wien. Im Mai gab es anlässlich der Wahl zum EU-Parlament eine österreichweite “Kein Mensch ist illegal”-Kampagne, die die Gräuel der europäischen Flüchtlingspolitik thematisierte.
Viel Aufmerksamkeit erregte auch die Kampagne „Natürlich normal – Jetzt legalisieren!”, die die Legalisierung von Cannabis thematisierte und bei der ein “ein Joint durchs Land ging” – sprich: ein überdimensionales Joint-Kostüm zum Einsatz kam. Ein Video zur Kampagne entstand am Sommercamp. Die Requisiten: eine Hanfpflanze, ein Paar Handschellen aus einem Sex Shop und eine weiße Taube.
Das Organisationswachstum veränderte auch den Charakter des Sommercamps. Im Jahr 2014 fand es unter dem Motto „Die Verhältnisse zum Tanzen bringen” erstmals ohne große Kooperation mit anderen Organisationen statt – die Plätze wurden nun von den vielen Aktivist*innen der Jungen Grünen gefüllt. Die internationale Vernetzung wurde dennoch nicht vernachlässigt, jedes Jahr gab es zahlreiche Gäste aus befreundeten grünen Jugendorganisationen aus ganz Europa.
2015
2015 fand die Neujahrskonferenz erstmalig in St. Gilgen am Wolfgangsee statt. Nach zweieinhalb Jahren wurde Cengiz Kulac von Kay-Michael Dankl als Sprecher abgelöst, der nun nun gemeinsam mit Diana Witzani die Doppelspitze der Jungen Grünen bildete. Den Vorstand ergänzten Anne-Sophie Bauer, Lilian Grof und Lydia Zapusek.
Das Jahr stand unter dem Motto „Wurzeln schlagen – Für starke Junge Grüne” und war wiederum von Wachstum und Neugründungen geprägt. Einen kleinen Skandal erlebten wir im Frühjahr bei der Landtagswahl in der Steiermark, als wir in einem Facebook Posting die selbstreklamierte Fähigkeit zur Selbstkritik des Landeshauptmann Franz Voves mit der von Kim Jong-Un verglichen.
Im Sommer und Herbst 2015 war „Refugees Welcome” ein zentrales Thema für uns. Der Sommer 2015 wurde auch “Sommer der Migration” genannt und zur gleichen Zeit war die solidarische Bewegung mit Geflüchteten in Österreich auf dem Höhepunkt.
Im Herbst standen in Oberösterreich und Wien Wahlen an, in deren Rahmen wir eigene Kampagnen starteten, welche dazu führten, dass die beiden Landesorganisationen sich festigen konnten. In Oberösterreich zogen die Wahlen ein nie gesehenes Wachstum der Landesorganisation nach sich – in Steyr hatten wir beispielsweise zur Zeit der Gemeinderatswahl eine Gruppe mit über fünfundzwanzig Aktivist*innen – und damit mehr, als kurz zuvor noch die gesamte Landesorganisation umfasste.
Auch in Wien brachte die Wahlkampagne Überraschungen mit sich. Nachdem die Grünen das Angebot eines gemeinsam geplanten Jugendwahlkampfes ausschlugen, konzentrierten sich die Jungen Grünen auf die Wahlkämpfe in den Bezirken und einzelne medienwirksame Aktionen. So eröffneten sie symbolisch den „Ersten Wiener Coffeeshop” um auf die notwendige Legalisierung von Cannabis aufmerksam zu machen. Nicht nur erschienen Journalist*innen vieler großer Medien – er zog auch Jugendliche an, die sich erhofften, Cannabis kaufen zu können. Sogar die Junge Volkspartei sah sich gezwungen darauf zu reagieren und schenkte gegenüber der Aktion Kaffee aus. Auf den bemüht lustigen „Öffi für Alles”-Jugendwahlkampf der Grünen, die zum wiederholten Male ein „Eva-Magazin” veröffentlichten, reagierten die Jungen Grünen Wien mit einem eigenen Satiremagazin, das nach ihrer Sprecherin Moony benannt war und die Grüne Partei für ihren unpolitischen Wahlkampf kritisierte.
Auf den beiden Bundesausschüssen des Jahres setzten wir uns intensiv mit der Frage auseinander, wie wir als Organisation auf eine mögliche Bundespräsidentschaftskandidatur des ehemaligen Grünen Bundessprechers Alexander Van der Bellen reagieren würden. Die Delegierten beschlossen, dass wir uns kritisch zu seinen konservativen und wirtschaftsliberalen Positionen äußern würden und die Wahl für uns selbst einen Schwerpunkt darstellen soll.
2016
Das Jahr 2016 starteten wir auf der Neujahrskonferenz, wieder in St. Gilgen am Wolfgangsee, die unter dem Titel „Bewegung von unten” stand. Kay und Diana wurden erneut als Sprecher*innenduo gewählt und Marcel wieder als politischer Geschäftsführer. Neu in den Vorstand gewählt wurden Victoria Vorraber und Teresa Petrik.
Schon die letzten Jahre hatten viel Wachstum gebracht, was uns vor neue Herausforderungen stellte. Diesen Herausforderungen wollten wir uns 2016 stellen, was sich auch in unserem Jahresplan widerspiegelte. Neben Klausuren, der Einführung der Geschäftsbereiche und einer Führungskräfteklausur im Juli, hatten wir auch Bezirksgruppenlehrgänge geplant.
Als Van der Bellen kurze Zeit darauf seine Kandidatur bekannt gab, reagierten wir mit einer Grafik, die Van der Bellen mit der Frisur von Erwin Pröll und dem Slogan „Die ÖVP hat ihren Kandidaten gefunden” zeigte und einem Artikel von Marcel auf dem Mosaik-Blog mit dem Titel „Das schlimmste an Van der Bellen sind seine Fans”. Unsere Kritik erregte viel Aufmerksamkeit und führte vor allem bei grünen Funktionären zu großem Unmut.
Als dann im April klar war, dass Van der Bellen gegen Norbert Hofer, einen rechtsextremen Burschenschafter in der Stichwahl der Bundespräsidentschaftswahl antreten würde, beschlossen wir, alles daran zu setzten einen rechtsextremen Bundespräsidenten zu verhindern. Der 1. Bundesausschuss diente als Kick-off für die Kampagne „Gegen Hass und Hetze”, mit der wir schlussendlich monatelang mit hunderten Aktivist*innen auf die Straße gingen. Nachdem der Wahlkampf eigentlich schon zu Ende war, wurde die Wahl wiederholt und für uns war klar, dass wir im September erneut mit gesammelten Kräften auf die Straße gehen Noch zwischen den beiden Wahlkämpfen fand allerdings unser Grünalternatives Sommercamp unter dem Titel „Macht und Ohnmacht” im Waldviertel statt.
Vor der Stichwahl, die schlussendlich ja erst im Dezember stattfand, gab es auch in der Leopoldstadt in Wien eine Wahlwiederholung, bei der wir mit einer großen Kampagne beteiligt waren und wo schlussendlich die Grünen als stimmenstärkste Partei die Bezirksvorsteherin stellen konnten. Durch die Verschiebung der Stichwahlwiederholung, konnten wir unsere geplante Schwerpunktkampagne nicht umsetzen, standen jedoch bis in den Dezember mit kalten Fingern gegen einen rechtsextremen Burschenschafter auf der Straße und waren schlussendlich sehr erleichtert, als Van der Bellen auch die Stichwahlwiederholung gewonnen hatte.
Neben einem fast ganzjährigen Wahlkampf und zunehmendem Wachstum und Professionalisierung, kamen im Frühjahr auch erstmals größere Konflikte von Aktivist*innen innerhalb der Grazer und Linzer Gruppen der GRAS (Grüne & Alternative Student_innen) auf. Aktivist*innen, die sowohl bei den Jungen Grünen, als auch bei der GRAS aktiv waren, waren unzufrieden mit Entscheidungsprozessenen und Strukturen innerhalb der GRAS und versuchten diese zu reformieren. Dies war durch undurchsichtige Entscheidungsstrukturen und reine Konsensentscheidungen jedoch nicht möglich, was schlussendlich dazu führte dass sich diese Gruppen von der Bundes-GRAS abspalteten. Dies, und der Ausschluss unseres Bundessprechers Kay aus der GRAS durch ein Gremium, das es statuarisch nicht gibt, führten dazu, dass wir uns gezwungen sahen zu reagieren und so am 1. Juli auf einem außerordentlichen Bundesausschuss den Beschluss fassten, die Reformgruppen in Graz und Linz zu unterstützen. Im Oktober schlossen sich die Reformgruppen unter dem Namen „Grüne Studierende” zusammen.
Ende 2016 erfüllte sich dann endlich der Traum vom eigenen Magazin der Jungen Grünen. Ein Theorie- und Debattenmagazin mit je einem Schwerpunktthema sollte es werden. Die „nullte” Ausgabe, ein Probelauf mit stattlichen 76 Seiten, widmete sich dem spanischen Bürgerkrieg. Kurz schien das Projekt an der Namensfindung zu scheitern, denn weder unsere Mitglieder, noch die angefragten Agenturen – eine hatte unter anderem „Lügenkresse” vorgeschlagen – schienen eine zündende Idee zu haben. Schlussendlich fiel die Entscheidung, wie bekannt sein dürfte, auf den Namen BLATTLINIE und das Projekt konnte umgesetzt werden.
2016 war ein intensives, ereignisreiches und von vielen neuen Herausforderungen geprägtes Jahr für die Jungen Grünen. Trotz der Bundespräsidentschaftswahl war es uns gelungen, viele notwendige Schritte in Richtung Professionalisierung zu machen und auch das große Wachstum der letzten Jahre aufzufangen. Gemessen an Facebookreichweite, waren wir Ende 2016 mit 12.000 Likes der Bundesseite die stärkste Jugendorganisation.
2017
der Rauswurf
Das Motto „Wieder in die Offensive gehen”, unter dem Neujahrskonferenz und Bundeskongress 2017 standen, sollte schon mehr über das Jahr aussagen, als wir es uns im Jänner erwartet hatten. Auf dem bis dahin größten Bundeskongress fand ein Generationenwechsel statt – es wurden viele jüngere Aktivist*innen in den Bundesvorstand gewählt. Flora Petrik wurde Sprecherin, Jakob Hundsbichler politischer Geschäftsführer und Tobias Kohlberger Finanzreferent. Neu hinzu kamen außerdem Teresa Griesebner und Leonie Zelenka. Thematisch wollten wir uns dieses Jahr, auch in Vorbereitung auf die Nationalratswahl, mit dem Parteiensystem auseinandersetzen und klar machen, wieso es einen demokratischen Aufbruch aus dem verkrusteten Parteiensystem braucht, um den Rechten effektiv etwas entgegen zu setzen. Das 100jährige Jubiläum der russischen Revolution thematisierten wir im März mit einer Podiumsdiskussion im Zuge der Heftpräsentation der ersten Ausgabe der BLATTLINIE in Wien. Das Magazin wurde auch in Graz und Linz stolz der Öffentlichkeit präsentiert.
Im Jänner fand eine Kampagne zur Gemeinderatswahl in Graz , sowie ein gemeinsames Winterseminar der Jungen Grünen Tirol und Vorarlberg statt. Der letzte größere Schwerpunkt vor dem Rauswurf war eine große Bildungskampagne, bei der wir ein sozial gerechtes Bildungssystem forderten und mit dieser Forderung in mehreren Städten und Gemeinde auf der Straße waren.
Mit Floras offenem Brief „Fürchtet euch nicht” begannen sich die Ereignisse zu überschlagen und der Jung-Grüne Normalzustand nahm sein Ende. Flora forderte Eva Glawischnigs Rücktritt, mit der Begründung, dass diese sich aufgrund ihrer Position im Konflikt “GRAS gegen Grüne Studierende” gegen eine Öffnung der Partei positionierte und sie mit dieser Haltung die Grüne Partei nicht weiter führen sollte. Als Antwort stellte uns der erweiterte Bundesvorstand ein Ultimatum, unsere Unterstützung für die Grünen Studierenden, entgegen unseren basisdemokratischen Beschlüssen, zurückzuziehen. Bei Nichterfüllung drohte die Aberkennung als Jugendorganisation und damit der Verlust der Förderung durch das Jugendministerium, die seit 2011 die Hauptfinanzierungsquelle der Organisation darstellte.
Auch die Entscheidung der Grünen Studierenden, nicht bundesweit anzutreten, eine Pressekonferenz der Jungen Grünen mit dem Angebot an die Grünen, es noch einmal miteinander zu versuchen und ein persönliches Gespräch zwischen Flora Petrik und Eva Glawischnig – übrigens ihr erstes Treffen mit den Jungen Grünen in der siebenjährigen Geschichte der Organisation – konnten letztlich nichts mehr an der Situation ändern, und so wurde am 30. März 2017 der Rauswurf der Jungen Grünen durch die Parteispitze vollzogen.
Die Jungen Grünen nach dem Rauswurf
Der Rauswurf markiert einerseits das Ende der Jungen Grünen, wie sie davor waren, andererseits auch den Beginn des nächsten Abschnittes unserer Geschichte. Die ersten Wochen nach dem Rauswurf versuchten wir, uns zu orientieren und abzuwägen, wie es mit Junge Grüne weitergehen sollte. Gleich am ersten Wochenende nach dem Rauswurf fand in Wien ein großes „Krisen- und Strategietreffen” statt bei dem Aktivist*innen aus allen Bundesländern zusammen kamen und sich über die aktuelle Lage und die nächsten Schritten austauschten. Für den Vorabend des 1. Mai wurde die „Perspektivenkonferenz” angesetzt, eine Veranstaltung bei der 150 Aktivist*innen über die Zukunft der Jungen Grünen diskutieren konnten. Die Stimmung zeigte klar, dass wir motiviert waren, weiter zu machen. Unklar war jedoch, in welchem Rahmen. Der Vorschlag des Bundesvorstandes, als parteiunabhängige Jugendorganisation primär am Land aktiv zu sein, stieß auf wenig Zustimmung, und so begann nach der Konferenz eine weitere Phase der Orientierung.